Geschäftsprozessmanagement (Business Process Management, BPM) und eine API-basierte Konnektivitätsarchitektur sind sich ergänzende Strategien, die dieselbe Vision verfolgen: das modulare Unternehmen („composable enterprise“), das permanent auf neue Marktanforderungen und sich verändernde Kund:innenerwartungen reagieren kann.
Warum passen BPM und API-basierte Konnektivität so gut zusammen?
Das Ziel von BPM ist die Optimierung der Geschäftsprozesse in Unternehmen. Zu diesem Zweck werden Geschäftsprozesse modelliert, automatisiert und überwacht. Unterstützung bei diesen Aufgaben bieten BPM-Systeme (BPMS), die die Steuerung und den Datenfluss von Geschäftsprozessen modellieren und ausführen. Zudem können sie „Human Workflows“ abbilden und enthalten eine Business Rule Engine, die eine allgemeine Geschäftsregel-Logik für verschiedene Geschäftsprozesse bereitstellt.
Sehen wir uns ein Beispiel aus dem Online-Einzelhandel an. Abbildung 1 zeigt unseren Beispiel-Geschäftsprozess, die vereinfachte Bearbeitung der Rückgabeanfrage eines Kunden, modelliert im BPMN-Standard (Business Process Model Notation).
Sobald ein Kunde eine Rücksendung beantragt, greift der Prozess auf den Bestellverlauf des Kunden zurück. Der Bestellverlauf ist eine wichtige Grundlage für den nächsten Schritt: die Überprüfung der Einhaltung der Rücksendebedingungen. Eine Business Rule Engine automatisiert diesen Vorgang.
Führt die automatische Prüfung zu einem negativen Ergebnis, muss manuell nach einer verfügbaren Alternative oder einer Kulanzlösung für den Kunden gesucht werden. Falls der Antrag abgelehnt wird, wird der Kunde benachrichtigt. Andernfalls erhält der Kunde ein Rücksendeetikett und es wird eine Warenrücksendegenehmigung (Return Merchandise Authorization, RMA) erfasst.
Nachdem wir nun einen Beispielgeschäftsprozess modelliert haben, gehen wir zur nächsten Phase im BPM-Lebenszyklus über: der Automatisierung des Geschäftsprozesses. Dabei müssen wir für jede Geschäftsaktivität („Business Activity“) die technische Umsetzung bedenken.
Es gibt drei Hauptoptionen:
- Sie erstellen eine „Human Task“ (Aufgabe, die manuell bearbeitet wird) und weisen dieser einen entsprechenden Job zu.
- Sie nutzen eine Business Rule Engine zur Automatisierung einer Entscheidungsaktivität.
- Sie verwenden die Geschäftslogik in Anwendungen außerhalb des BPMS mittels Call-Outs.
Im Beispiel wurde die Aktivität „Richtlinienverletzung behandeln“ als Human Task angelegt. Die Entscheidungsaktivität „Einhaltung der Rücksendungsbedingungen überprüfen“ wird über eine Rule Engine gesteuert. Die restlichen fünf Aktivitäten erfordern eine Integration mit Backend-Systemen. Finden wir heraus, wie API-basierte Konnektivität hier helfen kann.
API-basierte Konnektivität und Geschäftsprozesse
API-basierte Konnektivität führt ein Ebenensystem mit einer klaren Trennung der Aufgabenbereiche ein: Experience-APIs, Prozess-APIs und System-APIs. Zu welcher Ebene gehören Geschäftsprozesse? Während Experience-APIs Informationen für digitale Kanäle aufbereiten, enthalten System-APIs hauptsächlich logische Verknüpfungen zu Datensystemen. Zwischen Experience-APIs und System-APIs liegt die Ebene der Prozess-APIs. Sie existieren losgelöst von digitalen Kanälen und den zugrundeliegenden Systemlandschaften und sind ausschließlich auf Geschäftsbereiche ausgerichtet. Das bedeutet, dass sich Prozess-APIs hervorragend für die Erfassung von Geschäftsprozesslogik und Geschäftsregellogik eignen.
Betrachten wir nun die bestehenden APIs und Integrationen im Geschäftsbereich. Abbildung 2 zeigt die API-basierte Konnektivitätsarchitektur, die zwei Interaktionskanäle vorsieht: ein Shopsystem und ein ergänzendes mobiles Erlebnis.
Entsprechend passen eine „Shopping“- und eine „mobile“ API auf der Experience-Ebene Informationen für diese Kanäle an.
Auf der Prozessebene gibt es vier geschäftsorientierte APIs. Sie sehen, dass die API „Bestellverlauf“ und die API „Versand“ mehrere APIs aufrufen, um Informationen zu sammeln. Auf der Systemebene stellen APIs die Konnektivitätslogik zu den Backend-Systemen her.
Anypoint Exchange stellt dokumentierte und veröffentlichte APIs als wiederverwendbare Bausteine für zukünftige Projekte zur Verfügung. Ein Center for Enablement (C4E) soll die Wiederverwendung fördern und weitere Teams mit der Plattform und Methodik vertraut machen. Damit ist ein C4E eine perfekte Grundlage für eine BPM-Initiative.
Um einen neuen Geschäftsprozess zu automatisieren, können wir unsere bestehenden Investitionen in API-basierte Konnektivität nutzen. Anstatt für jede Prozessaktivität neue Integrationen zu erstellen, werden wir bestehende APIs wiederverwenden, die die entsprechenden Funktionen bereitstellen. Für Aktivitäten, die nicht durch Wiederverwendung implementiert werden können, werden neue APIs entwickelt und veröffentlicht.
Beim Automatisieren von Geschäftsprozessen ist die Integration von Back-End-Systemen für die Durchführung von Geschäftsaktivitäten eine echte Herausforderung. Mit API-basierter Konnektivität wird die Bereitstellung beschleunigt und die Effizienz erhöht. BPM kann die durch API-basierte Konnektivität ermöglichte Modularität („Composability“) geschäftlichen Mehrwert umsetzen. Kurz gesagt ist BPM eine Option, um aus der Investition in API-gestützte Konnektivität geschäftlichen Nutzen zu ziehen.
Abbildung 3 greift das obige Beispiel erneut auf und zeigt die notwendigen Verbesserungen der API-basierten Architektur im Vergleich zu Abbildung 2.
Der neue Geschäftsprozess definiert, dokumentiert und veröffentlicht die „Bearbeitung einer Rückgabeanfrage“ als API. Diese wird von der „Shopping“-Experience-API mit der Rückgabeanfrage des Kunden aufgerufen und gibt Informationen über die Genehmigung dieser Anfrage zurück. Durch die Dokumentation und Veröffentlichung der API kann der Rückgabeprozess in anderen Kontexten wiederverwendet werden.
Das BPMS organisiert die Ausführung einer Prozessinstanz. Die Implementierung der ersten Aktivität „Bestellverlauf des Kunden suchen“ ist ein Aufruf der „Bestellverlauf“-API. Diese Wiederverwendung der „Bestellverlauf“-API im Rahmen des automatisierten Geschäftsprozesses spart viel Zeit und Mühe. Diese Ausführung nutzt die bestehende Konnektivitäts- und Integrationslogik für das CRM- und Bestellmanagementsystem (OMS).
Eine Regel-Engine implementiert die zweite Aktivität des Prozesses: „Einhaltung der Rückgabebedingungen überprüfen“. Das BPMS übernimmt auch direkt die Human Task „Richtlinienverletzung bearbeiten“.
Die Aktivität „Rücksendeetikett erstellen“ wird wiederum durch einen Aufruf einer bestehenden API realisiert: der „Versand“-API. In unserem Beispiel gibt es keine passenden APIs, um die verbleibenden Aktivitäten des Prozesses zu implementieren. Daher werden neue APIs benötigt: die APIs „Benachrichtigung“ und „Commerce“. Für das nächste Projekt werden diese neuen APIs als wiederverwendbare Assets zur Verfügung stehen.
Fazit
Wir haben gezeigt, dass API-gebasierte Konnektivität eine perfekte Grundlage für die Implementierung von Geschäftsprozessen ist. Die Wiederverwendung von APIs zur Implementierung von Prozessaktivitäten reduziert den Zeit- und Arbeitsaufwand erheblich.
Wenngleich BPM und API-basierte Konnektivität als unabhängige Strategien gelten und jeweils individuellen Mehrwert schaffen, ergänzen sie sich perfekt. Mit API-basierter Konnektivität investieren wir in die Modularität („Composability“) unseres Unternehmens. Mit BPM profitieren wir von dieser Investition, denn jeder automatisierte Geschäftsprozess ist eine spezifische Komposition, die einen geschäftlichen Mehrwert liefert.